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Der Verlag, ein Wirtschaftsunternehmen - oder auch: Leser wollen ihre Lieblingsreihen veröffentlicht sehen

Die Blogger- und vor allem die Leserwelt ist in großem Aufruhr. Durch alle sozialen Medien geht der Aufschrei enttäuschter Leser. Doch was ist geschehen?

 

Der Heyne Verlag hat, nach mehrmaligem Nachhaken verschiedener Leser, veröffentlicht, dass der dritte Band der "Iskari"-Reihe von Kristen Ciccarelli nicht ins Deutsche übersetzt wird. Es gäbe nicht genügend Leser, die die Bücher gekauft haben, um eine Finanzierung des dritten Bandes zu ermöglichen.

 

Hier eine kleine Übersicht über verschiedene Meinungen und Aussagen innerhalb dieser Bewegungen, die ich fast alle gänzlich - beiderseitig - durchaus verstehen kann. In erster Linie bin ich eine Leserin und befinde mich auf der emotionalen Ebene. Jedoch bin ich auch gelernte Buchhändlerin und kenne die Strukturen und Beweggründe der Buchbranche.

Für den Verlag spricht (gesammelte Leserstimmen):

  • Ein Verlag ist ein Wirtschaftsunternehmen und muss dementsprechend durch Verkaufszahlen etc. kalkulieren, ob sich die Weiterführung einer Reihe noch lohnt, also wirtschaftlich rentabel ist, oder ob er sie einstellt, um Kosten für neue Bücher und Lizensen zu sparen.

Gegen den Verlag spricht (gesammelte Leserstimmen):

  • Der Heyne Verlag ist Teil eines Konzerns, der Randomhouse Gruppe, und es stößt auf Unverständnis, warum man finanziell nicht eine Ausnahme machen kann für dieses bestimmte Buch aufgrund der großen Nachfrage der Leser ("Iskari" Band 3, Anmerkung).

Ich verstehe beide Seiten. Lesen ist unglaublich emotional und leidenschaftlich. Lieben wir nicht alle unsere Helden? Wer hatte nicht schonmal einen Book Crush?

Natürlich ist der Heyne Verlag ein Teil einer Unternehmensgruppe, aber eben doch auch ein eigenes Unternehmen, welches sich keine Verluste - im besten Falle - erlauben darf.

Außerdem: Warum dieses Buch? Warum nicht noch andere Bücher? Wo ist die Grenze, wo sagt man ja? Woran misst man, ob eine Reihe nun weitergeführt werden soll oder nicht? Anhand der Nachfrage? Kennt ihr alle Reihen? Vielleicht gibt es eine Reihe, die nur eine kleine Anhängerschaft hat, aber für diese Menschen genauso die Welt bedeuten. Sollen diese Leser dann enttäuscht sein? Noch mehr als sie es vorher bereits waren?

  • Kosten des Verlages: Mitarbeiter, wie Lektoren etc., Herstellung und Druckerei, Marketing, Illustratoren, Designer, Übersetzer, Korrektoren, etc. - aber Marketing ist nicht nur Werbekampagnen, Lizensen, usw. - auch große Buchhandelsketten lassen sich die Platzierung der Titel bezahlen. Das bedeutet, wenn ihr z.B. einen Titel auf dem Tisch direkt am Eingang findet, wurde höchstwahrscheinlich vom Verlag Geld dafür gezahlt, dass der Titel präsent liegt. Oder Tische, die nur einen Titel mit einem Aufsteller bewerben? Sind sicher nicht aus reiner Herzensgüte direkt in eurem Blickfeld.
  • Dies interessiert euch als Leser nicht? Auch euer gutes Recht. Jedoch sollte man sich über alle Aspekte eines Themes zumindest am Rande informieren, bevor man alles verteufelt. Und auch versuchen, es zu verstehen.
  • Aber ich kann es auch als Leser nachvollziehen: Oftmals recht wenig Geld für Bücher zur Verfügung, kaufe ich die ersten Bände einer Reihe (eventuell sogar Hardcover, ca. 20€ pro Buch) und muss dann nach jährlichem Warten auf den nächsten Band feststellen, dass der letzte Band nicht erscheint, ich also ca. 40€ ausgegeben habe, für eine Geschichte, deren Ende ich nie erfahren werde, wenn ich die Reihe nicht in der Originalsprache beende.

Leserstimmen (verallgemeinert):

"Es interessiert mich nicht. Es juckt mich nicht, ob ein Verlag es schwer hat oder wie die Hintergründe sind. Er hat abzuliefern. Ich fühle mich hier betrogen."

Die Aktion #WirWollenIskari3 ist im Grunde eine gute Sache, zeigt sie doch, wie sehr Leser eine Buchreihe unterstützen. Nun wird zum Boykott des Verlages aufgerufen, es sollen keine Bücher mehr gekauft werden, die in diesem Verlag erscheinen.

Jedoch sollte man auch im Blick haben, das ein Unternehmen Mitarbeiter beschäftigt und diese ihr Gehalt benötigen. Wenn ein Wirtschaftsunternehmen nicht genügend Umsatz macht, macht sich dies meistens direkt in den Personalentscheidungen bemerkbar. Denn Personal kostet Geld, was der Verlag dann nicht mehr hat.

Außerdem in den Veröffentlichungen allgemein. Egal, ob es sich nun um Lizensen ausländischer Autoren oder das Debüt eines deutschen Autors handelt, der vielleicht sein halbes Leben auf diesen Moment hingearbeitet hat. Es werden weniger Bücher veröffentlich werden und dadurch Chancen genommen. Chancen auf neue Geschichten, Chancen auf neue Karrieren,...

Ja, wir dürfen wütend, traurig und enttäuscht sein. Das ist das gute Recht des Einzelnen. Ein subjektives Empfinden, welches jedem Leser zusteht.

Der Markt ändert sich leider aber nicht innerhalb einer Minute. Die Buchbranche an sich ist bereits seit langem ein hartes Geschäft. Dies fällt vielleicht nicht unbedingt den Lesern auf, aber den brancheninternen Mitarbeitern. Dazu zähle ich nicht nur Verlagsmitarbeiter, Hersteller, etc. - auch Buchhändler gehören dazu.

Wie viele kleine Buchhandlungen schließen und / oder werden von Buchhandelsketten einverleibt? In wie vielen Buchhandlungen arbeiten wirklich noch Buchhändler und nicht nur Einzelhandelskauffrauen oder Verkäuferinnen sowie Kassiererinnen?

 

Das Prinzip "Survival of the fittest", wie bereits Darwin schon wusste, ist das einzige, dass in der Buchbranche zählt. Nicht umsonst sind neue, kleine Verlage innerhalb kürzester Zeit nicht mehr auf dem Markt. Denn es ist nicht mehr rentabel.

Und schon sind wir wieder bei dem Punkt Wirtschaftsunternehmen Verlag.

Als Leser kann ich sagen: Was geht mich das an?

Doch das wäre irgendwo auch sehr blauäugig. Denn der Verlag, wie auch die Autoren, benötigen Unterstützung. Unterstützung nicht nur über Bewertungen und Rezensionen, sondern vor allem durch Buchkäufe. Damit ein Titel rentabel wird. Damit eine Reihe weitergeführt wird.

Leserstimmen (zusammengefasst):

Weniger Neuerscheinungen im Monat produzieren. Qualität statt Quantität.

Wer entscheidet aber, welche Neuerscheinungen es wert sind? Was, wenn genau die Reihe, die dich unglaublich interessiert, nicht übersetzt wird? Oder du ein Nischenleser bist und deine Nische eben nicht rentabel genug ist?

Gerade die Vielfalt der Buchbranche, das "für jeden etwas dabei ist" macht doch gerade das Wundervolle aus.

Es wird erwähnt, wie sehr der Heyne Verlag zusätzlich die Leser verärgert, indem er Standardantworten verschickt. Natürlich wäre hier das Social-Media-Team des Verlages gefragt. Man hätte es wirklich besser machen können. Es würde auch eine größere Wertschätzung der Leserstimmen bedeuten, auch wenn es sich letztendlich nicht auf die Buchveröffentlich auswirkt. Denn so, wie es gehandhabt wird bzw. wurde, wurde auch nur Öl ins Feuer gegossen.

Das Problem, als nicht "ernst" genug eingesehen. Leser fühlen sich nun verarscht, auf gut Deutsch gesagt. Oder ignoriert, als ob sie nichts zählen würden.

Und wieder sind wir quasi am Anfang des Artikels angelangt.

Es dreht sich immer alles im Kreis, da niemand von seinem Wege abkommen möchte oder Kompromisse eingehen möchte.

Das war aber schon immer ein Problem der Buchbranche. Vor Neuem wurden die Augen verschlossen, die Konkurrenz belächelt und im Nachhinein doch Fehler eingestanden.

Ich bin gespannt, wie es in diesem Fall weitergeht und ob es eine Lösung geben wird, die beide Parteien zufrieden stellt.